Flächennutzung in Nordrhein-Westfalen

von Carla Westenberger und Jana Gäng


► NRW hat einen vergleichsweise hohen Anteil an Siedlungs- und Verkehrsfläche

► Ökonomische und ökologische Probleme sind Folge der zunehmenden Bebauung

► Der landesweite Anteil der Landwirtschaftsfläche sinkt, Wasser- und Waldflächen werden größer


34.000 Quadratkilometer Fläche besitzt das Land NRW. Damit ist es flächenmäßig das viertgrößte Bundesland Deutschlands. Wie diese Fläche genau genutzt wird, steht in Katastern. Es können fünf übergeordnete Nutzungsarten unterschieden werden: Landwirtschaftsflächen, Siedlungs- und Verkehrsflächen, Waldflächen, Wasserflächen und sonstige Flächen, wie beispielsweise Moor- oder Heideflächen.

Das Tortendiagramm stellt ihren jeweiligen Anteil an der Gesamtfläche Nordrhein-Westfalens im Dezember 2014 dar. Der Vergleich mit den bundesweiten Anteilen der Nutzungsarten zeigt erste Besonderheiten des Landes Nordrhein-Westfalen.

„Der Flächenverbrauch durch zunehmende Bebauung ist ein großes Problem“ – Siedlung und Verkehr

Besonders auffällig: Der Anteil der Siedlungs- und Verkehrsfläche an der Gesamtfläche ist in Nordrhein-Westfalen deutlich größer als in Deutschland insgesamt. Zu dieser Nutzungsart zählen Wohnbauflächen, Industrie- und Gewerbeflächen, unbebaute Betriebsflächen, Verkehrsflächen, außerdem Erholungsflächen wie Parks, Grün- oder Sportanlagen. Etwa die Hälfte dieser Flächen ist versiegelt, also mit Gebäuden oder Anlagen bebaut oder für Fahrbahnen, Parkplätze und Gehwege asphaltiert, betoniert, gepflastert oder anderweitig befestigt.

Der überdurchschnittlich hohe Anteil ist einerseits historisch durch das industriegeprägte Ruhrgebiet zu begründen. Andererseits zeigt sich deutschlandweit, dass Bundesländer mit einer hohen Bevölkerungsdichte auch einen hohen Anteil von Siedlungs- und Verkehrsflächen an der Gesamtfläche aufweisen – das gilt insbesondere für das Industrieland Nordrhein-Westfalen als das am dichtesten besiedelte Bundesland.

So ist Herne, nach München und Berlin auf Platz drei der am dichtesten besiedelten deutschen Städte, nordrhein-westfälischer Spitzenreiter bei der Größe der Siedlungs- und Verkehrsflächen in Relation zur Gesamtfläche. 2015 wurden 78 Prozent der Stadtfläche für Siedlung und Verkehr genutzt. Zum Vergleich: Der Durchschnitt lag 2014 in Deutschland bei 14 Prozent. Knapp hinter Herne kommen Oberhausen (75 Prozent), Gelsenkirchen (74 Prozent) und Bochum mit einem Anteil von 70 Prozent Siedlung- und Verkehrsfläche an der Gesamtfläche – alles Städte, die im Ruhrgebiet liegen.

Die Grafik zeigt den Anteil der Siedlungs- und Verkehrsfläche einzelner Kreise und Städte (sortiert nach Einwohnerzahl) an deren Gesamtfläche. Indem Sie sich durch die einzelnen Jahre klicken, können Sie die Flächenentwicklung verfolgen. 

Auch die Karte zeigt das Ruhrgebiet trotz des Strukturwandels immer noch als die Region Nordrhein-Westfalens mit den verhältnismäßig größten Siedlungs- und Verkehrsflächen.


 Die Karte zeigt die Siedlungs- und Verkehrsfläche einzelner Kreise und Städte in Ar. Klicken Sie auf einen Kreis, um sich die Daten anzeigen zu lassen. 

Laut einer Prognose des Bundesamtes für Bau und Raumordnung soll die Siedlungs- und Verkehrsfläche auch weiterhin ansteigen. Und das, obwohl die Bevölkerungszahlen in Nordrhein-Westfalen rückläufig sind. Kurz: Auf immer weniger Einwohner kommen immer mehr Siedlungs- und Verkehrsflächen. Die Gründe hierfür liegen unter anderem im steigenden Anteil von Singlehaushalten, der steigenden Größe der Wohnfläche pro Person oder im wachsenden Anteil von Erholungs- und Freizeitflächen.

Die zunehmende Inanspruchnahme von Flächen für Siedlung und Verkehr zieht zahlreiche Probleme nach sich.
Der größte ökologische Nachteil ist laut Dirk Jansen vom BUND Landesverband NRW der Verlust der Biodiversität im Sinne einer rückläufigen Vielfalt von Tier- und Pflanzenarten, Lebensraum- und Bodentypen.

„Vor allem aber der Flächenverbrauch durch zunehmende Bebauung ist ein Problem“, sagt Dirk Jansen. Denn werden Flächen bebaut, nimmt auch die Bodenversiegelung zu. Dadurch kann der Boden Niederschlagswasser nicht mehr aufnehmen, es fließt stattdessen oberirdisch ab. Die Folge ist laut Jansen eine verschärfte Hochwasserentwicklung. Bernd Mehlig vom Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW warnt aber davor, Hochwasser pauschal mit der zunehmenden Bodenversiegelung zu begründen: „Versiegelung spielt bei Hochwassern hauptsächlich in urbanen Bereichen mit einem kleinen Einzugsgebiet eine Rolle, beispielsweise wenn Wasser auf Parkplätzen oder Straßen nicht abfließen kann. Bei großen Flusseinzugsgebieten sind meist andere Ursachen ausschlaggebend.“

Zu den ökologischen kommen städtebauliche und ökonomische Probleme des Flächenverbrauchs für Siedlung und Verkehr hinzu: Dazu zählen eine übermäßige Investition in den Neubau, die Leerstand und Werteverlust bestehender Immobilien begünstigen, der Trend zu in die Landschaft hineinragenden Städten und Gemeinden oder eine gesteigerte finanzielle Belastung der Kommunen durch die abnehmende bauliche Dichte und erhöhte Infrastrukturkosten.

Um diese Problematiken zu entschärfen, hatte die Landesregierung im Koalitionsvertrag das Ziel der Reduktion des Flächenverbrauchs bis 2020 auf fünf Hektar pro Tag festgelegt. Mögliche Maßnahmen sind beispielsweise die Innenverdichtung der Ballungsräume statt ihrer baulichen Außenausdehnung oder die Nutzung leerstehender Gewerbeflächen im Industriebereich.

Laut eines Berichts des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW lag allerdings 2014 der tägliche Verbrauch für neue Siedlungs- und Verkehrsflächen in Nordrhein-Westfalen immer noch bei mehr als neun Hektar pro Tag. Außerdem wurde im vergangenen Jahr der Entwurf des Landesentwicklungsplanes durch die Regierung überarbeitet und die 5-Hektar-Begrenzung vom verbindlichen Ziel zu einem weitaus unverbindlicheren Grundsatz herabgestuft.

 

„Heute ist das knappste Gut der Landwirte in Nordrhein-Westfalen die Fläche“ – Landwirtschaft

Die Fläche in Nordrhein-Westfalen ist begrenzt. Flächenzuwachs bei einer Nutzung bedeutet daher einen Flächenverlust bei anderen Nutzungsarten. Die Zunahme an Flächen für Siedlung und Verkehr und die damit einhergehende Ausdehnung von Gemeinden gehen vor allem zu Lasten landwirtschaftlicher Flächen, da Landwirte meist an den Rändern von Kommunen und Gemeinden wirtschaften.

„Heute ist das knappste Gut der Landwirte in Nordrhein-Westfalen die Fläche. Ohne neuen Boden zu kaufen oder zu pachten, können sie sich nicht weiter ausdehnen“, kommentiert Uwe Spangenberg von der Landwirtschaftskammer NRW die Entwicklung. Denn was in der Verlaufsgrafik nach einer nur geringen Abnahme aussieht, bedeutete in den letzten Jahren für die nordrhein-westfälische Landwirtschaft einen Verlust von durchschnittlich 10 Hektar pro Tag. Das entspricht der Fläche von 14 Fußballfeldern.


Entwickeln sich gegenläufig: Während der Anteil der Siedlungs- und Verkehrsfläche an der Gesamtfläche konstant anstieg, hat der der Landwirtschaftsfläche in den letzten 20 Jahren abgenommen.

Der Flächenverlust ist laut Spangenberg aber nicht nur auf eine zunehmende Bebauung zurückzuführen. Auch naturschutzrechtliche Auflagen über Ausgleichsflächen tragen zum Nutzungsentzug bei: „Wenn der Natur etwas an Fläche genommen wird, muss ihr auch etwas zurückgegeben werden. Das ist der Kerngedanke.“ Diese Auflagen verpflichten unter anderem Landwirte, die beispielsweise eine Stallanlage bauen, aber auch Bund und Länder als Bauherr von Straßen und Siedlungen. Um Platz für Ausgleichsmaßnahmen zu haben, kaufen letztere wiederum oft den Landwirten Fläche ab.

Dennoch: Auf eine generelle Existenzbedrohung der Landwirte möchte Uwe Spangenberg angesichts der rückläufigen Fläche und des Verlusts von Produktionsgrundlage nicht pauschal schließen. Immerhin wurde mit 48,3 Prozent auch 2015 noch knapp die Hälfte der Fläche in Nordrhein-Westfalen für Landwirtschaft genutzt. „Insbesondere aber dann, wenn hochwertiger Boden verloren geht, bedeutet dies einen Ertragsverlust für die Landwirte. Sollte die Fläche weiter so zurückgehen, könnte das für die Existenz einiger Landwirte durchaus problematisch werden“, so Spangenberg.

Ludger Dalhaus besitzt einen Hof am Rande des Ruhrgebiets. Neben eigenem Boden bewirtschaftet er auch gepachtete Fläche. Aus Sicht der Landwirte zeigt sich hier eine weitere Problematik des Flächenentzugs: „Gerade in einer so industriegeprägten Gegend wie hier ist die Fläche natürlich knapp. Da ist die Nachfrage der Landwirte größer als das Angebot – das macht die Pacht unwahrscheinlich teuer“, sagt Dalhaus.

 

„Wälder gibt es immer dort, wo der Boden nicht für die Landwirtschaft genutzt werden kann“ – Wald

Rund ein Viertel der Fläche Nordrhein-Westfalens ist bewaldet – etwas weniger als im Bundesschnitt. Ob und welcher Typ Wald wächst, hängt vor allem von vier Standortfaktoren ab: Boden, Klima, Relief und biotische Faktoren.

„Wälder gibt es immer dort, wo der Boden nicht für die Landwirtschaft genutzt werden kann, zum Beispiel weil er zu nährstoffarm ist“, sagt Gerhard Naendrun von der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald. Auch Wassergehalt oder Bodenart werden unter dem ersten Standortfaktor zusammengefasst.
Deutschland und somit auch Nordrhein-Westfalen liegen in den feuchten Mittelbreiten. Typisch für diese Klimazone sind sommergrüne Laub- und Mischwälder.
Der Faktor Relief bezieht sich auf die Art der Oberfläche: So begrenzen beispielsweise starke Hangneigungen nicht nur, welche Baumart wachsen kann, sondern machen eine Fläche auch für die Landwirtschaft unattraktiv. Waldrodungen, um eine Fläche etwa für die Landwirtschaft nutzen zu können, und andere Maßnahmen des Menschen werden unter den biotischen Faktoren zusammengefasst. Hierzu zählen außerdem andere pflanzliche Konkurrenten, Wildtiere oder Schädlinge.

Weil diese Standortfaktoren auch innerhalb Nordrhein-Westfalens nicht einheitlich sind, unterscheiden sich die Waldanteile und –typen der einzelnen Regionen stark voneinander. Insgesamt lassen sich sieben Wuchsgebiete abgrenzen, die ganz oder zu großen Teilen in Nordrhein-Westfalen liegen und sich in ihrer Landschaftsstruktur, ihren klimatischen Eigenschaften, ihrem Gesteinsaufbau und ihrer Landschaftsgeschichte ähneln. 


 Die Karte zeigt die Waldfläche einzelner Kreise und Städte in Ar. Klicken Sie auf einen Kreis, um sich die Daten anzeigen zu lassen.

Zwei Wuchsgebiete stechen auf der Karte besonders hervor: Das Sauerland am östlichen Rand von NRW aufgrund seiner vergleichsweise großen Waldfläche und das an die Niederlande grenzende Niederrheinische Tiefland aufgrund seiner vergleichsweise kleinen Waldfläche.

Das Sauerland ist die grüne Lunge von NRW und liegt im Süden Westfalens. Die Waldfläche beträgt 296.900 Hektar. Insgesamt sind 58 Prozent des Sauerlands bewaldet. Hauptgrund für den überdurchschnittlich hohen Waldanteil ist der nährstoffarme Boden des Sauerlands, der die Region für die Landwirtschaft unbrauchbar macht. Gleichzeitig ist eine große Waldfläche typisch für siedlungsarme Mittelgebirgsregionen. Aufgrund der Höhenlage wachsen hier vor allem Fichten.

Im Niederrheinischen Tiefland sind hingegen nur 13 Prozent der Fläche mit Wald bewachsen, insgesamt entspricht das rund 50.000 Hektar Waldfläche. Der Grund für die geringe Bewaldung liegt vor allem in der frühen Besiedlung der für den Ackerbau günstigen Landschaft, in deren Zuge bestehende Wälder in andere Nutzungsformen überführt wurden. Größere Nadelholzflächen sind nur noch auf den nährstoffärmeren Böden der Hauptterrasse, der Niederrheinischen Höhen oder der Flugsande zu finden.

 

Die Grafik zeigt den Anteil der Waldfläche einzelner Kreise und Städte (sortiert nach Einwohnerzahl) an deren Gesamtfläche. Indem Sie sich durch die einzelnen Jahre klicken, können Sie die Flächenentwicklung verfolgen. 

 

Innerhalb dieser beiden Wuchsgebiete sind auch die Extreme bezüglich des Waldanteils zu finden: So sind in der Gemeinde Kirchhundem im Sauerland 75 Prozent der Fläche bewaldet, in der Gemeinde Jüchen im niederrheinischen Tiefland dagegen nur gut 1 Prozent.

 

„Statistisch haben wir das nicht nachverfolgt, eine Vermutung über die Ursache habe ich aber schon“ – Wasser

Den größten Anteil an der Wasserfläche in Nordrhein-Westfalen haben die Rurtalsperre, die Flüsse Rhein, Weser und Ems und die drei größten Seen, der Biggesee in Attendorn, der Sorpesee in Sundern und der Haltener Stausee. Insbesondere die Städte und Kreise entlang des Rheins, wie Duisburg, Köln oder Neuss stechen auf der Karte aufgrund ihrer großen Wasserfläche hervor.



 Die Karte zeigt die Wasserfläche einzelner Kreise und Städte in Ar. Klicken Sie auf einen Kreis, um sich die Daten anzeigen zu lassen.

Zur Wasserfläche zählen aber nicht nur Seen, Flüsse oder Talsperren, sondern auch Böschungen, Uferbefestigungen, sowie Wasserauffang- und Sickerbecken.
Seit 1995 hat der Anteil der Wasserfläche an der Gesamtfläche leicht zugenommen – laut den Daten der Landesdatenbank NRW ist er um 0,1 Prozentpunkte auf 1,9 Prozent gestiegen.

Die Ursache für das konstante Wachstum wurde laut Ludger Neuhann vom Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen nicht statistisch verfolgt. Mit Blick auf die Entwicklung in den einzelnen Kreisen lasse sich aber zumindest eine Vermutung anstellen: Denn insbesondere in den Gebieten am Niederrhein ist die Wasserfläche überdurchschnittlich stark gestiegen. Im Kreis Kleve hat ihr Anteil beispielsweise von 1995 bis 2015 um 0,8 Prozentpunkte, im Kreis Wesel um 0,9 Prozentpunkte zugenommen. In beiden Kreisen wird – wie entlang des gesamten Niederrheins – Kies abgebaut. Wenn dabei Bodendecken entfernt werden, liegen Grundwasserströme offen – es entstehen mit Wasser gefüllte Abgrabungsflächen wie Baggerseen. Davon gibt es im Kreis Wesel jede Menge: Der Auesee oder der Diersfordter Waldsee sind nur zwei Beispiele für Baggerseen, die zahlreiche Wassertouristen in den Kreis locken.